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Gericht: Finanzgericht Hamburg
Urteil verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: 8 K 61/07
Rechtsgebiete: DBA-Portugal, EStG, EG


Vorschriften:

DBA-Portugal Art. 6 Abs. 1
DBA-Portugal Art. 6 Abs. 3
DBA-Portugal Art. 24 Abs. 2 Buchst. a S. 1
EStG § 2a Abs. 1 S. 1 Nr. 6a
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2
EStG § 32a Abs. 1
EG Art. 56
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hamburg

8 K 61/07

Tatbestand:

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2004 und 2005 als gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Kläger zu 1.) bzw. aus Gewerbebetrieb (Klägerin zu 2.). Außerdem erzielten sie in den Streitjahren negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus drei in Deutschland belegenen Immobilien (x-Straße in A, y-Straße in B sowie z-Straße in B).

Die Kläger begehren die Berücksichtigung weiterer negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Hinblick auf eine in Portugal belegene Ferienwohnung. Das beklagte Finanzamt lehnte dies jeweils unter Hinweis auf § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a) i.V.m. § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG ab.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren fort und beantragen,

die Einspruchsentscheidung vom 2.5.2007 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 vom 15.3.2007 dahin zu ändern, dass weitere negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 6.002,00 EUR bzw. 7.215,00 EUR bei der Bemessung des Steuersatzes berücksichtigt werden.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist darauf, dass die Verluste aus ausländischer Vermietungstätigkeit nicht unberücksichtigt blieben, sondern gesondert festgestellt und in späteren Veranlagungszeiträumen Berücksichtigung finden würden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des beklagten Finanzamtes verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage führt zum Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat zu Unrecht die negativen Einkünfte aus der Vermietung der in Portugal belegenen Wohnung im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach Maßgabe des § 32 b EStG nicht einbezogen. Ihre Nichtberücksichtigung verstößt gegen die in Art. 56

(= Art. 73 b alter Zählung) des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (ABl. Nr. C-340/173, 1997, 1; im Folgenden: EG-Vertrag) garantierte Kapitalverkehrsfreiheit. Im Einzelnen ist insoweit Folgendes auszuführen:

In § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a EStG hat der nationale Gesetzgeber bestimmt, dass negative Einkünfte aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem ausländischen Staat belegen sind, nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art und aus demselben Staat ausgeglichen werden dürfen; sie dürfen auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG ist auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen, hat ein zeitweise oder während des Veranlagungszeitraumes unbeschränkt Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Dieser besondere Steuersatz ist gemäß § 32 b Abs. 2 Nr. 2 EStG der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um die in § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG bezeichneten Einkünfte.

Die vorliegend in Rede stehenden Einkünfte aus der Vermietung der in Portugal belegenen Wohnung gehören zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, die nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 15.7.1980 (BStBl. I 1982, S. 347 = BGBl. II 1982, S. 129; im Folgenden: DBA-Portugal) nur in dem Staat, in dem dieses Vermögen belegen ist - mithin in Portugal -, besteuert werden; diese Einkünfte der Kläger sind somit nach Art. 24 Abs. 2 lit. a) Satz 1 DBA-Portugal im Inland steuerfrei und gehen insoweit auch nicht in die Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage zum Ausgleich steuerpflichtiger Einkünfte ein (vgl. insoweit nur BFH, Beschluss vom 13.11.2002, I R 13/02, sowie Urteil vom 17.10.1990, I R 182/87). Nach Art. 24 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBA-Portugal schränkt dieser Umstand allerdings das Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht ein, diese Einkünfte bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.

Aus dieser Rechtslage folgt: Die negativen ausländischen Einkünfte der Kläger aus der Vermietung der in Portugal belegenen Wohnung sind gemäß Art. 24 Abs. 2 lit. a) Satz 2 DBA-Portugal bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes im Sinne des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 EStG als steuerpflichtig zu behandeln. Die Vorschrift des § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a EStG verhindert im Streitfall aber deren Berücksichtigung, weil es in den Streitjahren an entsprechenden positiven ausländischen Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat fehlt. Die von den Klägern in den Streitjahren erlittenen ausländischen Verluste können somit anders als vergleichbare inländische Verluste zumindest im jeweiligen Streitjahr nicht im Rahmen des sog. negativen Progressionsvorbehalts ausgeglichen werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat allerdings mit Urteil vom 21.2.2006 (C-152/03, Rechtssache Ritter-Coulais, [...]) entschieden, dass Art. 39 EG-Vertrag (= Art. 48 alter Zählung) dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung entgegenstehe, wonach natürliche Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einem Mitgliedstaat bezögen, und dort unbeschränkt steuerpflichtig seien, keinen Anspruch darauf hätten, dass bei der Festsetzung des Steuersatzes für diese Einkünfte in diesem Staat Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt würden, die sich auf ein von ihnen selbst zu Wohnzwecken genutztes Wohnhaus in einem anderen Mitgliedstaat bezögen, während positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezüglich eines solchen Hauses berücksichtigt würden. Prüfungsmaßstab für den Europäischen Gerichtshof war zwar in der Rechtssache Ritter-Coulais das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 39 EG-Vertrag (= Art. 48 alter Zählung), das im Streitfall ersichtlich nicht tangiert ist. Der erkennende Senat übersieht auch nicht, dass die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 21.2.2006 die Anwendung des § 2 a Abs. 1 Nr. 4 EStG a.F. auf Verluste aus einem im EG-Ausland belegenen und vom Steuerpflichtigen für eigene Wohnzwecke genutzten Grundstück betraf. Im Unterschied zum beklagten Finanzamt nimmt der erkennende Senat jedoch an, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ritter-Coulais auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation entsprechend anzuwenden ist. Der Senat hat sich insoweit zum einen von der Erwägung leiten lassen, dass die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gleichwertig nebeneinander stehen und damit jede verdeckte oder offene Benachteiligung eines EG-Bürgers verhindern wollen. Es macht deshalb keinen Unterschied, dass die Kläger in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall negative Einkünfte aus einer im EG-Ausland belegenen und von ihnen selbstgenutzten Wohnung erzielten, während der vorliegend zur Entscheidung gestellte Sachverhalt dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kläger die in Portugal belegene Wohnung nicht selbst nutzen, sondern vermieten.

Zum anderen ist im gegebenen Kontext zu bedenken, dass in dem Streitjahr, auf das sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ritter-Coulais bezieht, zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus gehörte (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG 1987). Vor diesem Hintergrund liegt die Bedeutung des Urteils des Gerichthofs der Europäischen Gemeinschaften vom 21.2.2006 nicht in der Erkenntnis, dass die Versagung des negativen Progressionsvorbehalts für negative Einkünfte aus der Nutzungswertbesteuerung - oder mit anderen Worten: aus der Vermietung und Verpachtung eigengenutzter Wohnungen - gemeinschaftsrechtswidrig ist. Vielmehr versteht der erkennende Senat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Ritter-Coulais in der Weise, dass nach diesem Urteil eine nationale Regelung, wonach eine in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtige Person keinen Anspruch darauf hat, dass bei der Festsetzung des Steuersatzes für die dort erzielten Einkünfte Verluste aus einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Einkunftsquelle berücksichtigt werden, während Gewinne die Bemessungsgrundlage erhöhen würden, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist (in diesem Sinne auch FG München, Urteil vom 22.9.2006, 8 K 1299/06, [...]; ähnlich wohl auch Gosch, BFH-PR 2006, 192, und Ribbock/Sedemund, BB 2006, 528; deutlich enger dagegen Heinicke, in: Schmidt, EStG, 26. Auflage, § 2 a, Rz. 46, sowie FG Hamburg, Urteil vom 22.8.2006, 7 K 255/04, [...], die den Gesichtpunkt des vom Steuerpflichtigen im EG-Ausland für eigene Wohnzwecke genutzten Gebäudes betonen). Freilich hat die im vorbezeichneten Sinn angewandte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur unabdingbaren Voraussetzung, dass die Kläger durch die konkret in Rede stehende Benachteiligung auch in einer vom EG-Vertrag verbürgten Grundfreiheit beeinträchtigt werden. So liegt der Fall aber hier. Durch die Nichtberücksichtigung der negativen ausländischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen des Progressionsvorbehalts (§ 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a EStG) werden die Kläger in unzulässiger Weise in ihrer Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt:

Nach Art. 56 des EG-Vertrages sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Der Kapitalverkehr umfasst Vorgänge, durch die Personen im Gebiet eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ihren Wohnsitz haben, Investitionen in Immobilien tätigen (vgl. EuGH, Urteile vom 25.1.2007, C-370/05, und6.3.1999, C-222/97, unter Hinweis auf die Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24.6.1988, ABl. Nr. 1 178, S. 5). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften stellen alle Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten, eine nach Art. 56 des EG-Vertrages verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs dar (vgl. EuGH, Urteile vom 25.1.2007, C-370/05, und23.2.2006, C-513/03).

Der im vorstehenden Sinne europarechtlich geschützte grenzüberschreitende Kapitalverkehr wird durch die in Rede stehende Nichtberücksichtigung der negativen ausländischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen des Progressionsvorbehalts beschränkt und behindert, ist er doch wirtschaftlich weniger attraktiv. Dem Umstand - worauf das beklagte Finanzamt abhebt -, dass die Verluste in späteren Veranlagungszeiträumen aufgrund des Verlustvortrags eventuell Berücksichtigung finden, ist insoweit keine durchgreifende rechtliche Relevanz zuzumessen. Zum einen steht nicht fest, ob in späteren Veranlagungszeiträumen überhaupt verrechenbare Gewinne erzielt werden. Zum anderen verbleiben dem Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der ausländischen Verluste zumindest Zins- und Liquiditätsnachteile.

Im Übrigen hat bereits der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 21.2.2006 (C-21.2.2006, Rechtssache Ritter-Coulais, Rz. 22, [...]) in Bezug auf die Kapitalverkehrsfreiheit darauf hingewiesen, dass "die Nichtberücksichtigung der sich auf ein Haus in Frankreich beziehenden Verluste aus Vermietung und Verpachtung bei der Besteuerung der in Deutschland erzielten Einkünfte a priori beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts in den Geltungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 56 EG fallen könnte." Dass der Europäische Gerichtshof die Rechtssache Ritter-Coulais gleichwohl nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit, sondern an dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer maß, beruhte allein auf dem Umstand, dass das Verfahren das Steuerjahr 1987 betraf; zu diesem Zeitpunkt war indes der Kapitalverkehr noch nicht durch die gemeinschaftsrechtlichen Normierungen vollständig liberalisiert (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.2006, C-152/03, Rz. 23 bis 27, [...]).

Der erkennende Senat hat schließlich bedacht, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zulässig sein kann, wenn sie ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, nicht diskriminierend angewandt wird und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht (vgl. EuGH, Urteile vom 23.3.2003, C-452/01, undvom 1.6.1999, C-302/97). Durch die Nichtberücksichtigung der negativen ausländischen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Rahmen des Progressionsvorbehalts (§ 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a EStG) sollen ersichtlich Investitionen in unerwünschte, weil volkswirtschaftlich nicht nützliche ausländische Verlustzuweisungsgesellschaften verhindert werden. Das gesetzgeberische Ziel der Vermeidung von Steuermindereinnahmen stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften indes grundsätzlich kein Allgemeininteresse dar, welches eine Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen eine Verkehrsfreiheit zu rechtfertigen vermag (vgl. EuGH, Urteil vom 16.7.1998, C-264/96). Es kommt hinzu, dass vorliegend die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften nicht lediglich künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts ausgerichtet sind, erfassen, sondern generell jeden Sachverhalt, in dem ein unbeschränkt Steuerpflichtiger - aus welchen Gründen auch immer - im Ausland eine Immobilie hält. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch negative inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die nach dem deutschen Steuersystem aber grundsätzlich Berücksichtigung finden, Steuermindereinnahmen zur Folge haben. Dieser Umstand macht zugleich deutlich, dass auch der Gesichtspunkt der steuerlichen Kohärenz (vgl. EuGH, Urteile vom 6.3.2007, C-292/04, [...], 16.7.1998, C-264/96, [...], und28.1.1992, C-204/90), wonach die Wirkungen der Erstreckung der Gemeinschaftsfreiheiten auf die Steuersysteme, deren Gestaltung grundsätzlich allein der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten unterliegt, korrigiert werden dürfen, um zu vermeiden, dass die Anwendung der Verkehrsfreiheiten zu ungerechtfertigten Beeinträchtigungen der inneren Systematik der nationalen Steuersysteme führen, die vorliegend in Rede stehende Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen vermag. Die steuerliche Kohärenz soll die Integrität der nationalen Steuersysteme schützen. Sie darf aber weder die Integration der nationalen Steuersysteme im Rahmen des Binnenmarktes behindern noch dafür verwandt werden, eine steuerliche Regelung so zu gestalten, dass sie inländische Situationen oder Wirtschaftsteilnehmer begünstigt (vgl. insoweit auch EuGH, Urteile vom 6.3.2007, C-292/04, [...], und21.2.2006, C-152/03, [...]). Letzteres trifft aber auf die hier zu beurteilende Rechtslage zu.

Angesichts des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts als supranationalem Recht gegenüber dem nationalen Recht (vgl. zum Anwendungsvorrang Gosch, DStR 2007, 1553, 1554), ist die Vorschrift des § 32 b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 a EStG in der Weise anzuwenden, dass den Klägern im Hinblick auf die erlittenen ausländischen Verluste der begehrte negative Progressionsvorbehalt zu gewähren ist, obgleich sie bezüglich der Streitjahren keine entsprechenden positiven ausländischen Einkünfte der jeweils selben Art aus demselben Staat haben. Einer (erneuten) Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bedarf es nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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